Die Welt steht in Flammen. Tausende Menschen lassen in der Ukraine ihr Leben. Der Indopazifik wurde in die militarisierteste Zone der Welt verwandelt. Immer mehr und immer öfter spielen die Großen und Mächtigen, allen voran die NATO-Staaten mit dem Feuer und bringen uns der Gefahr einer weltweiten Kriegseskalation einen Schritt näher.
Die globale Situation kann kaum beschönigt werden. Krieg war seit dem Krieg in Jugoslawien, zumindest in den imperialistischen Zentren- insbesondere Europa- nicht mehr so nah an der Lebensrealität der Menschen wie heutzutage. Sanktionen, Waffenlieferungen und konkrete Kriegsvorbereitungen sind im vollen Gange und in den Medien schon Alltag. Es werden Ängste geschürt und Kriegspropaganda gestreut, um die Bevölkerung auf einen kommenden Krieg vorzubereiten. Viele Menschen in Deutschland haben aufgrund dessen Angst vor einem dritten Weltkrieg.
Ein Einmarsch Russlands, wie er oft heraufbeschworen wird, steht zwar nicht bevor. Jedoch bahnt sich ein Konflikt an, der eine weltumspannende Dimension annehmen könnte. Ein Krieg, dessen Ausmaß an den ersten großen Verteilungskrieg, den ersten Weltkrieg, erinnern könnte.
Der Interessengegensatz zwischen NATO und China verschärft sich immer weiter
Steigende Militarisierung, zugespitzte Kriegsgefahr. Diese Entwicklungen trägt ihren Ursprung im Kapitalismus und aktuell in einer der tiefgreifendsten ökonomischen Krisen, die er jemals erlebt hat. Die Triebfeder dieser steckt in den schrumpfenden Gewinnmargen und den schwindenden Ressourcen.
Während sich die USA in einer tiefgreifenden politischen und ökonomischen Krise befindet, hat es die Volksrepublik China mit ihrem Staatskapitalismus geschafft, sich besser aus der Krise herauszubewegen als andere. Sie stehen nach wie vor wirtschaftlich gut da und das Bruttoinlandsprodukt steigt weiterhin. Auf wirtschaftlicher, technologischer und auch militärischer Ebene ist der Staat dabei mit den USA gleichzuziehen, auch wenn das noch ein paar Jahre dauern wird.Denn Investitionen nach China werden vom Staat stark reglementiert und somit sichergestellt, dass China seine Einflusssphäre vergrößern kann. Der Westen hat jedoch nur wenige direkte Möglichkeiten der ökonomischen Einflussnahme in China.
China will militärisch aufholen und schafft sich durch Kapitalexport und Investitionen in Entwicklungs- und Außenpolitik Bündnispartner:innen und Einfluss in den afrikanischen und südamerikanischen Staaten. Verschiedene Hochrechnungen gehen davon aus, dass China die USA in den nächsten 5 -10 Jahren ökonomisch überbieten wird.
Die zentrale Frage der heutigen Zeit ist, wie sich die globale Machtpolitik dadurch verschieben und ändern wird.
Die aufkeimenden Konflikte und die massive Militarisierung im Pazifikraum, der Krieg in der Ukraine, der Aufbau der EU und Deutschland zur Militärmacht, dies alles steht global gesehen im Zusammenhang und deutet auf eine kriegerische Zuspitzung der Widersprüche hin. Die USA haben in Afghanistan Niederlagen hingenommen und sind geschwächt. Sie bereitet sich drauf vor ihre wirtschaftliche Vormachtstellung entgegen aller Widerstände außenpolitisch auch militärisch durchzusetzen. Um ihre Hegemonie festigen zu können, werden die europäischen Bündnispartner:innen in der NATO, aber auch im pazifischen Raum von Japan bis Australien mobilisiert. Damit will die USA die Machtexpansion von China im internationalen Geschehen stoppen und zurückdrängen. Schon beim G7-Gipfel in Elmau 2022 wird eine grundsätzliche Neuordnung der Welt mit dem selbsternannten „Bündnis der Demokratie gegen die Autokratien der Welt“ relativ offen angestrebt. In den nächsten fünf Jahren sollen 600 Mrd. US Dollar für „Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen“ in die Hand genommen werden, um mit Chinas „neuer Seidenstraße“ gleichzuziehen. Es ist klar, dass die USA ihre Hegemonialstellung auf dem Globus mit allen erdenklichen Mitteln verteidigen wird. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach damit zu rechnen, dass es zumindest zu einer indirekten militärischen Eskalation zwischen USA und China kommen kann. Spitzenmilitärs der Imperialist:innen gehen in ihrer Einschätzung sogar noch weiter.
Aktuell gibt es eine Tendenz der BRICS-Staaten, sich dem Einfluss des Westens zu entziehen und auch den aktuellen Kriegskurs nicht mitzufahren. Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) zählen zu den aufstrebenden Wirtschaften, von welchen ausgegangen wird, dass sie global gesehen eine dominante Rolle bis 2050 einnehmen werden. Besonders eindrücklich zeigt sich das, an den Forderungen dieser Staaten nach Diplomatie zwischen Russland und Ukraine und der Ablehnung bspw. Brasiliens Waffen in die Ukraine zu senden. Die BRICS-Staaten suchen eine Unabhängigkeit von der NATO-diktierten Weltordnung und sehen aktuell erste Möglichkeiten sich dieser zu entziehen. Das führt nicht zuletzt zu engeren (bilateralen) Abkommen und einem Zusammenrücken dieser Nationen. Sie schließen Handelsverträge miteinander ab und planen eine eigene Währung zu schaffen, um auch unabhängig vom Dollar handeln zu können. Alles deutet darauf hin, dass insbesondere China seinen Einfluss auf die anderen BRICS-Staaten ausweiten und diese in eine gewisse Abhängigkeit zu sich bringen möchte.
Selbstverständlich werden die USA und ihre Verbündeten diese Tendenz nicht einfach hinnehmen. Aktuell versuchen sie über diplomatische Beziehungen aber auch durch das Ausüben von Druck Beziehungen mit diesen Ländern zu festigen und diese in ihre eigene Weltordnung miteinzubinden. Gegenüber Russland und China hat der Westen bereits den Versuch aufgegeben, diese in seine „regelbasierte“ Ordnung mit einzubinden. Durch Sanktionspolitik und militärische Drohungen wird eine aggressive Politik gegen die beiden Staaten gefahren.
An zwei Schauplätzen zeigt sich die wachsende Kriegsgefahr besonders deutlich:
Ukraine-Krieg
Der Krieg in der Ukraine ist ein erster Ausdruck dessen, was in den kommenden Jahren möglicherweise auf uns zukommen kann. Ein offensichtlicher Interessenkonflikt zwischen zwei Machtblöcken führt zu einer neuen Stufe der kriegerischen Eskalation. Jahrelange Osterweiterung der NATO und Einkreisung Russlands haben letztendlich den Oligarchenstaat dazu gebracht die Ukraine militärisch anzugreifen. Der militärische Schritt Russlands (ohne ihn in irgendeiner Weise zu rechtfertigen oder zu verteidigen) war ein letzter Versuch die NATO-Einkreisung zu beschränken und seine eigenen „sicherheitspolitischen“ Interessen durchzusetzen.
Im Ukraine Krieg findet ein Stellvertreterkrieg statt; Russland und NATO-Imperialismus um die geopolitische Vormachtstellung in der Ukraine. Es geht weder um die Verteidigung „westlicher Werte“ noch um „Entnazifizierung“. Annalena Baerbock sagte 2022 deutlich, es geht darum Russland langfristig finanziell zu schaden. Eine strategische Motivation, die auch der US-Imperialismus verfolgt. Die Menschen in der Ukraine werden getötet, weil die Machtinteressen zweier Machtblöcke, befeuert von globaler kapitalistischer Krise, aufeinander crashen. Der Konflikt besteht nicht zwischen Demokratie und Diktatur.
Indopazifik
Der Indopazifik ist einer der relevantesten Bereiche für den globalen Warentransport auf dem Meer. China als Staat macht den Großteil seiner Profite im Exporthandel und verfolgt das strategische Ziel mit dem Projekt „neue Seidenstraße“ und dem Indopazifik Handelszentrum zu werden. Die militärische Kontrolle über den Indopazifik ist gleichbedeutend mit der Kontrolle über einen Großteil des globalen Warenverkehrs. Denn nach wie vor wird ein Großteil der globalen Logistik per Schiff betrieben. Ein sehr eindrückliches Beispiel dafür: Viele erinnern sich bestimmt noch wie ein einziges quer stehendes Schiff im Suez Kanal für Lieferengpässe auf der ganzen Welt gesorgt hat.
Aufgrund der hohen Bedeutung des Indopazifik für den globalen Warenverkehr haben die Mächtigen der Welt diesen in die militarisierteste Zone auf dem Globus ausgebaut. Alle großen Staaten haben dort Militärbasen, Militärschiffe, Kampfjets und Co. Beinahe täglich kommt es dort zu militärischen Provokationen, wie etwa Grenzübertritten. Diese sorgen Tag für Tag für eine Zuspitzung der Kriegsgefahr und zeigen sehr bildlich, wie sehr sich die Fronten zwischen den USA und China verhärten.
Auch die sogenannte Taiwan-Frage zeigt diese Spannungen sehr deutlich. An dieser Stelle gehen wir nicht auf die historische Dimension des Konflikts ein, sondern beleuchten vor allem seine geostrategische Brisanz.
In diesem kleinen, an China angrenzenden, Staat, der sehr stark am Westen orientiert ist, werden 80% der modernsten Chips produziert. China ist für seine Militärindustrie und auch für seine Technologieproduktion auf den Import dieser Chips angewiesen. Die USA versuchen deshalb mittels Sanktionen den Import nach China zu unterbinden und diesen so nachhaltig ökonomisch zu schwächen. Gleichzeitig wird versucht durch Taiwan den Seezugang zu limitieren und China auf dem Meer einzukesseln. Dies sorgte neben US-Staatsbesuchen und einer stärkeren Anbindung Taiwans dafür, dass eine chinesische Militärübung an Taiwans Stränden startete um so seine militärische Macht zu demonstrieren. Gleichzeitig sind es auch US-amerikanische Kriegsschiffe, die in chinesisches Territorium fahren um nach der „internationalen Ordnung“ zu schauen, die wiederum eine weitere Eskalationsgefahr mit sich bringt.
Es wird immer deutlicher. Die Spannungen steigen und die Kriegsgefahr wächst. Der Aggressor ist hierbei wie so oft auf der Welt die NATO.
Was passiert eigentlich in Deutschland?
Die BRD ist keine neutrale Zuschauerin in diesem Konflikt. Sie ist Kriegspartei und bezieht ganz klare Stellung. Die steigende Kriegsgefahr sorgt dafür, dass der NATO-Block intern wieder weiter zusammenrückt.
Das Projekt strategische Unabhängigkeit (von den USA) der EU unter Federführung von Deutschland und Frankreich ist zwar nach wie vor auf der Agenda der Herrschenden dieser Staaten, jedoch wird das transatlantische Bündnis priorisiert. Denn klar ist: Der gemeinsame Feind des Westens ist das „durchtriebene China“ und der „irre Putin“.
Der Aufstieg Chinas ist auch für den deutschen Imperialismus eine Gefahr. Die Vorkehrungen des deutsche Staates sprechen für sich. So werden Halbleiterproduktionen nach Magdeburg verlegt, Ursula von der Leyen lässt auf EU-Ebene Investitionen in China eindämmen und in Hamburg hindert Scholz den Verkauf eines Hafenterminals an ein chinesisches Unternehmen.
Mit dem Ausrufen von Scholz Zeitenwende wurde deutlich, dass der kommende Krieg und die Vorbereitung auf diesen auch in der BRD angekommen ist. Die Herrschenden der Republik haben damit begonnen sich auf die Verteidigung der eigenen imperialistischen Interessen mit der Waffe vorzubereiten. Dies zeigt sich zum einen im größten Aufrüstungspaket, das die BRD je gesehen hat, doch auch in innenpolitischen Entwicklungen.
Durch eine massive Propagandawelle werden alle Stimmen, die sich gegen Krieg und Aufrüstung aussprechen als „unsolidarisch“ oder „Putinismus“ verteufelt. Waffenlieferungen werden als Mittel für den Frieden dargestellt und alle Schritte der Militarisierung werden als unumgänglich bezeichnet. Die kapitalistische Krise ist mittlerweile auch in Deutschland für Millionen von Menschen an den Kassen von Supermärkten und bei den Heizkosten spürbar. Die Krise hat bereits vor dem Krieg existiert, doch der Krieg hat sie massiv befeuert. Für die Herrschenden liefert das eine Steilvorlage für ein unsoziales Krisenmanagement. Überall heißt es, wir müssten sparen aus Solidarität mit den Menschen in der Ukraine; die „fetten Jahre“ seien vorbei und wir müssen uns wegen dem bösen Putin nun auf harte Zeiten vorbereiten. Dass es sich um ein Krisenmanagement handelt, dass den Konzernbossen und Aktionär:innen Profite sichert, während ein Großteil der Gesellschaft verarmt, scheint ein Tabuthema geworden zu sein.
Die bereits im 1. Weltkrieg angewandte Strategie des Burgfriedens findet auch in der heutigen Zeit wieder ihre Anwendung. Die real existierenden Widersprüche zwischen der Arbeiter:innenklasse und den deutschen Kapitalist:innen sollen möglichst befriedet werden und alle Konflikte innerhalb des Landes für den Kampf gegen einen Feind von außen begraben werden. Dies ist auch vermutlich einer der Gründe warum es keinen „heißen Herbst“ und auch keinen Aufschrei gegen die massive Militarisierung gab.
Die ideologische Hegemonie des deutschen Imperialismus (die Durchsetzung imperialistischer Interessen im Namen der Demokratie und Menschenrechte) wird verfestigt, um dabei die Herrschaft im Inneren zu sichern und Legitimität für kommende Kriege zu schaffen.
Vom Burgfrieden zum Sturm auf die Bastille
In Zeiten des Krieges braucht es eine Bewegung des Friedens. Große Worte in Anbetracht dessen, dass es kaum nennenswerten Widerstand gegen die Aufrüstung der BRD und gegen die Kriegsvorbereitungen gibt. Darüber täuschen auch nicht ein paar tausend Menschen, die Wagenknechts Aufruf in Berlin gefolgt sind.
Doch anstatt immer nur zu appellieren, heißt das für uns, dass wir jetzt anpacken müssen. Und zwar zügig. Wenn die Herrschenden sich auf Krieg einstimmen dann müssen wir alles darauf setzen sie in ihren Kriegsvorbereitungen zu hindern. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich in Teilen der deutschen Bevölkerung eine Stimmung gegen Krieg und auch eine berechtigte Angst vor einer Kriegseskalation breit macht. Dies zeigt zum einen der (verkürzte) Aufruf Wagenknechts, wo einige Tausend mit der richtigen Intention auf der Straße waren. Auch rechte Kräfte, wie die AfD und Co., versuchen sich als Friedenskräfte zu positionieren. Gesellschaftliche Themen dürfen Rechten nicht überlassen werden und gerade deshalb müssen wir wieder daran arbeiten, dass die politische Linke wieder als Antikriegs- und Friedenskraft wahrgenommen wird. Darüber was in der Linken seit dem Krieg alles falsch läuft, haben bereits viele Vieles geschrieben. Darum geht es in diesem Text nicht.
Wir möchten an dieser Stelle aber noch einmal darauf eingehen, was unserer Meinung nach unsere Hauptaufgaben als Antimilitarist:innen sind.
Die Frage des Friedens ist eine Frage der Klassenperspektive – stellen wir diese heraus!
Der Kapitalismus in seinem höchsten Stadium, dem Imperialismus sorgt dafür, dass Staaten auf der Suche nach neuen Absatzmärkten und Machtsicherung zwangsläufig Kriege miteinander führen.
Die massiven Aufrüstungsprogramme, das unsoziale Krisenmanagement und die Sorge vor einer weltweiten Kriegseskalation sind Fragen die in erster Linie die Arbeiter:innenklasse betreffen. Es ist unsere Klasse, die das Krisenmanagement der Herrschenden bezahlen wird. Es ist unsere Klasse, die die 100 Milliarden zahlen wird und die auf den Schlachtfeldern der Kapitalist:innen stirbt. Eine Welt ohne Krieg ist im objektiven Interesse der Arbeiter:innenklasse.
Die Frage von Krieg und Frieden muss mit der sozialen Frage und der Systemfrage verknüpft werden. In der aktuellen Situation zeigt sich, wie wichtig es ist nicht vom Klassenstandpunkt abzuweichen – denn das führt letztendlich zu Nationalismus und Burgfrieden.
Bereits im ersten Weltkrieg hat Karl Liebknecht richtigerweise erkannt, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht. Konkret heißt das, dass wir hier die Ursachen bekämpfen müssen – den deutschen Imperialismus und seine Akteur:innen in Rüstungsindustrie, Regierung usw.
Die Kriegstreiber:innen hier vor Ort zu entlarven, angreifen und bekämpfen, ist eine wichtige Aufgabe der linken Kräfte heutzutage. Damit ist es allerdings nicht getan.
Der 1. Weltkrieg lehrt uns, die Brutalität rivalisierender imperialistischer Länder. Er lehrt vor allem, das der Beginn des Matrosenaufstands in Kiel und die Ausweitung der Novemberrevolution zum Ende des ersten Weltkriegs führte. Um die Kriege von heute zu beenden und von morgen zu verhindern, müssen wir den Kapialismus überwinden.
Ohne Organisierung werden wir es nicht schaffen eine Bewegung aufzubauen, die gegen den Kriegs- und Krisenkurs des deutschen Staates kämpft. Also schließen wir uns zusammen. In Bündnissen, antimilitaristischen Organisationen und Treffen. Wir haben eine große und wichtige Aufgabe vor uns. Zeit es anzupacken! Bauen wir eine Antikriegsbewegung auf, die den Anspruch hat, Sand im Getriebe der Imperialist:innen zu sein!
Gegen jeden imperialistischen Krieg!
Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart // April 2023
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