Was kommt vor dem Aufstand? Die Bekämpfung. Innere Militarisierung im Kapitalismus

Die Präsenz der Polizei auf den deutschen Straßen nimmt merklich zu. Und seit Neustem können sich durch ein Bundeswehr-Kontingent bis zu 25.000 Soldat:innen im Inneren herumtreiben. Schleichend aber massiv verändert die zunehmende Präsenz von militärischem und polizeilichem Personal und die Ausweitung ihrer Befugnisse unseren Alltag: Demonstrationen werden zum regelrechten Spießrutenlauf, Hausdurchsuchungen bei Aktivist:innen aus sozialen Bewegungen gehören zum polizeilichen Standardrepertoire und eine prügelnde Polizei gegen Migrant:innen oder Baumbesetzer:innen zur Normalität. Der Staat greift immer härter durch und versucht bereits jetzt sein Personal strategisch zu platzieren. So soll uns der nette Soldat im Gesundheitsministerium schnell vergessen lassen, dass seine eigentliche Aufgabe darin besteht mit Gewehrläufen und Kugeln den Zugriff auf Märkte und Ressourcen freizuschießen. Nicht für uns, sondern für das deutsche Kapital, für die Konzerne und die reichen Investor:innen.

Dass den Organen der staatlichen Repression soviel mehr Mittel und Macht gegeben wird, ist in Anbetracht der sich dort überschlagenden Skandale regelrecht absurd:

Sexualisierte Rituale in den Kasernen, faschistische Chatgruppen und Netzwerke in Polizei und Militär, (dessen Verstrickungen sich bis den Verfassungsschutz erstrecken) welche bis in den Verfassungsschutz verstrickt sind. Mehrere zehntausend Schuss scharfe Munition und Waffen die verschwinden und von Faschisten aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK) anonym abgegeben werden. Es sind jetzt bereits mehr Waffen zurückgekommen, als vermisst wurden. Belangt wird dafür niemand. Für das Schreddern der Inventurliste aus dem Jahr 2018, wodurch nicht mehr nachvollzogen werden kann wie viele Waffen bereits entwendet wurden, ebenfalls nicht.

Damit nicht genug. Nicht minder besorgniserregend sind die paramilitärischen Übungen von Faschisten, Ex-Soldaten und Reservisten, die Tötungslisten, auf denen die Namen von Antifaschist:innen und Politiker:innen stehen oder die Polizist:innen, die Drohbriefe an linke Politiker:innen schreiben und sie mit dem rechten Terrorkürzel NSU 2.0 unterzeichnen.

Die Gefahren, die von Militär und Polizei ausgehen, sind offensichtlich. Und doch ist ein Verschärfung der Militarisierung im Inneren gerade jetzt nicht ungewöhnlich, wurde sie in Krisenzeiten doch schon immer vorangetrieben. Die Pandemie und die Wirtschaftskrise sind da ein willkommenes Einfallstor, um den reaktionären Staatsumbau voranzutreiben: Wenn der kapitalistische Staat in der Krise ist, ergreift er Maßnahmen für den eigenen Erhalt. Das ist einleuchtend. Interessant ist, gegen wen der Staat sich schützt: Er schützt sich gegen die eigene Bevölkerung, die sich gegen die bestehende Ordnung auflehnen könnten. Denn der Klassencharakter der Gesellschaft tritt immer offener zu Tage und Angriffe auf die lohnabhängige Klasse nehmen zu: Massenhafte Entlassungen, Kurzarbeit, Leistungsverdichtung, Abbau von Arbeitsrechten und Sozialabbau. Während die Verluste vergesellschaftet und auf den Rücken der Lohnabhängigen abgewälzt werden, werden Gewinne privatisiert und fließen direkt in die Taschen der Kapitalist:innen. Dadurch kommt es zu einer massiven Zuspitzung von Widersprüchen.

Militarisierung – Werkzeug des Kapitalismus

Die letzten Jahre haben ein Ansteigen von Aufrüstung und Befugnissen von Polizei und Bundeswehr mit sich gebracht. Durch Polizeigesetze, die seit Jahren in regelmäßigen Abständen verschärft werden, werden bundesweit Überwachungsmaßnahmen ausgebaut. Telekommunikation sowie E-Mailverkehr kann überwacht werden und auch Staatstrojaner machen vor keinem Computer mehr halt. Polizeieinheiten werden mit neuen Waffen ausgerüstet. Sie unterscheiden sich teilweise nicht mehr groß von einer Armee. Durch Gesetzesverschärfungen des §114 bspw. kann jeder noch so kleine Widerstand zu einer Straftat abgeurteilt werden. Damit hat der Staat eine immer freiere Hand für die Kriminalisierung von Protesten. Eine weitere Änderung des Grundgesetzes (Art. 35 GG) erlaubt es nun 25.000 Soldat:innen im Inneren einzusetzen. Unter dem Stichwort „Amtshilfe“ sind tausende Soldat:innen in der Zivilgesellschaft im Einsatz: In den Gesundheitsämtern, in den Pflegeheimen, in den Impfzentren und auch zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur. Organisationen wie das Technische Hilfswerk (THW), das eigentlich für den Einsatz bei derartigen Szenarien geschult ist, wird kaputt gespart und ist dazu kaum noch in der Lage. Dass gerade die Bundeswehr eingesetzt und in der Öffentlichkeit präsenter gemacht wird, ist deswegen als strategische und politische Entscheidung zu bewerten.

Für die herrschenden Klassenverhältnisse ist der Militarismus ein wichtiges Werkzeug. Bewaffnete Institutionen haben in eben diesen Klassenverhältnissen eine feste Funktion. Militär und Polizei sind weder neutral, noch handeln sie im Sinne der Bevölkerung. Sie wurden als Institutionen zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Staates und der Eigentumsverhältnisse geschaffen. An dieser Funktion hat sich bis heute nichts geändert. Damit zeigt sich der besondere Charakter der inneren Militarisierung. Dass sich in den bewaffneten staatlichen Institutionen Faschisten befinden, die konkrete faschistische Umsturzpläne haben, steht nicht im Widerspruch zum Staat. Die Vertretung der nationalen Interessen ist eine Gemeinsamkeit und stellt keine unmittelbare Gefahr für die bestehenden Eigentumsverhältnisse dar.

Militarisierung ist als Klassenkampf und Angriff von oben zu verstehen, womit sich die Herrschenden schon heute vorbeugend gegen soziale Kämpfe und Aufstände von morgen schützen und sich in die Lage versetzen, diese effektiv bekämpfen zu können.

Wachsam sein

Bereits in der Vergangenheit hatte das deutsche Militär im Inneren die Aufgabe Streiks und Protesten gewaltsam und mit scharfer Munition niederzuschlagen. Beispielsweise 1889 an der Ruhr, bei einer der größten Streikbewegungen in Deutschland oder 1909 beim Streik im Mansfelder Gebiet.

Diese Einsätze liefen zum „Schutz der Produktionsanlagen und Streikbrecher“, waren aber nichts weiter als ein Einsatz des Militärs bei Arbeitskämpfen.

Im Faschismus hat sich gezeigt, dass das Militär die Zivilbevölkerung massakriert und eine existenzielle Bedrohung für Menschen bedeutet. Nach der Niederschlagung des Faschismus sollte in Deutschland kein Militär im Inneren mehr eingesetzt werden. Bei der Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 wurde mit dem Artikel 143 die obrigkeitliche Tätigkeit der Bundeswehr im Inland untersagt. Trotzdem wurde die Bundeswehr 1962, während der Sturmflut, im Inneren eingesetzt, um gegen Plünderungen vorzugehen und den Verkehr zu lenken. Mit der Einführung der Notstandsgesetze 1968 wurde unterschieden in „äußeren Notstand“, durch eine militärische Bedrohung und in „inneren Notstand“, z.B. durch Aufstände oder einen Katastrophenfall. Das Notstandsgesetz soll durch die Entscheidung der Bundesregierung in Kraft treten. Auch für den „Schutz der kritischen Infrastruktur“ wie z.B. Kraftwerke, Banken, Kommunikationsanlagen, Verkehrswege oder Staudämme kann das Notstandsgesetz angewandt werden. Krisenfälle und der „Schutz der kritischen Infrastruktur“ sind weit gefasst. Die Bekämpfung eines Krisenfalls könnte auch bedeuten, dass Soldat:innen gegen Streikende oder Menschen, die Umweltproteste führen, eingesetzt werden könnten, wenn dies als Krise definiert wird. Die Einsatzschwelle ist frei verschiebbar. Beispiele dafür sind die Zusammenarbeit von Bundeswehr und Bundespolizei bei Großprotesten wie Heiligendamm oder beim G7.

Die Vorbereitung gegen soziale Kämpfe nimmt volle Fahrt auf. Dabei ist es wichtig, den Klassencharakter des Militarismus zu erkennen. Der Klassenkampf von oben wird sich nicht entschärfen. Im Gegenteil. Je höher sich die Spirale dreht, desto zugespitzter wird sie nach oben hin werden. In dem wir seine Bedeutung erkennen, können wir an den richtigen Stellen ansetzen, um so Bruchstellen mit diesem kapitalistischen System zu erzeugen und Sand ins Getriebe der Kapitalist:innen zu streuen.

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